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Sicherheitstechnische Analyse und Risikobewertung von Konzepten zu Partitionierungs- und Transmutationsanlagen für hochradioaktive Abfälle

AuthorFriederike Frieß, Nikolaus Arnold, Wolfgang Liebert, Nikolaus Müllner
6-01-5-56-26.pdf
DateMarch 2021
Classification 6.01.5.56/26 (WASTE - ACTINIDES (TRANSMUTATION / BURNING) GENERAL)
Front

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Sicherheitstechnische Analyse und Risikobewertung von Konzepten zu
Partitionierungs- und Transmutationsanlagen für hochradioaktive Abfälle

Impressum
Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE)

Auftragnehmer:
Institut für Sicherheits- und Risikowissenschaften
Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien

Dr. Friederike Frieß
Nikolaus Arnold
Prof. Dr. Wolfgang Liebert
Dr. Nikolaus Müllner
Unter Mitarbeit von Dr. Ilse Tweer und Klaus Gufler

www.base.bund.de
Stand: März 2021

Zusammenfassung
Der Umgang mit bereits vorliegenden und noch weiter anfallenden hochradioaktiven (und
weiteren schwach- und mittelaktiven) Abfällen aus der Kernenergienutzung ist ein sowohl
national als auch international diskutiertes und herausforderndes Thema. Weltweit wurde
hauptsächlich Uranbrennstoff in Leichtwasserreaktoren eingesetzt. Die abgebrannten
Brennelemente enthalten Uran, Transurane (Plutonium und sogenannte Minore Aktiniden)
und sowohl stabile als auch radioaktive Spaltprodukte mit kurzer, mittlerer oder sehr langer
Halbwertszeit. Von diesen Materialien geht ein hohes und langfristig bestehendes
radiologisches Risiko aus. Eine sichere Abschirmung der radioaktiven Abfälle – und dabei
insbesondere der hochradioaktiven – ist daher nach der Entnahme der Brennstoffe aus den
Reaktoren, bei der Zwischenlagerung und der schließlich erfolgenden Endlagerung
zwingend erforderlich. Für den letzten Schritt wollen die meisten Länder, in denen
Kernenergieprogramme betrieben werden oder wurden, den Weg der Endlagerung in tiefen
geologischen Schichten gehen. Auch Deutschland hat sich für diesen Weg der Entsorgung
hochradioaktiver Abfälle aus dem jetzt auslaufenden Kernenergieprogramm entschieden.
Neben der Möglichkeit der direkten tiefengeologischen Endlagerung stellt sich dabei immer
wieder die Frage, ob nicht auch ein kerntechnologischer Ansatz einer vorausgehenden
Abfallbehandlung eine Option wäre. Ein solcher Ansatz ist die Partitionierung und
Transmutation (P&T). Von Befürwortern dieses Ansatzes wird versprochen, dass mit P&T
die Anforderungen an und die Risiken durch ein, dann immer noch notwendiges, Endlager
deutlich reduziert werden könnten. Solcherart technologische Versprechen müssen frühzeitig
und öffentlich nachvollziehbar überprüfbar werden. Dazu liefert dieses Gutachten einen
Beitrag.

Partitionierung ist die verfahrenstechnische Trennung des radioaktiven Abfalls in
verschiedene Abfallströme. Diese erweiterte Wiederaufarbeitung geht über die bereits in
einigen Ländern praktizierte Wiederaufarbeitung hinaus, da in den meisten P&T-Konzepten
zusätzliche Stoffströme wie die Minoren Aktiniden, extrahiert werden müssten und
gleichzeitig hohe Effizienzen bei der Abtrennung notwendig wären. Als Minore Aktiniden
werden radiologisch besonders problematische Transurane bezeichnet, die in kleineren
Mengen als Plutonium in den abgebrannten Brennstoffen beim Reaktorbetrieb erzeugt
werden und u. a. die Reaktorphysik beeinflussen. Dies sind insbesondere Neptunium,
Americium und Curium.

Bei der Transmutation werden Radionuklide durch kernphysikalische Umwandlungen,
insbesondere durch Kernspaltung, in andere Nuklide überführt. P&T sieht vor, dass die
entstehenden Nuklide entweder nutzbar wären (z.B. weiterhin als Kernbrennstoff) oder
zumindest geringere Anforderungen an eine sichere Endlagerung als die Ausgangsnuklide
stellen würden. Dies könnte, zumindest theoretisch, durch Überführung der
Ausgangsnuklide in Nuklide mit geringeren Halbwertszeiten, geringerer Radiotoxizität oder
sogar in stabile Nuklide erreicht werden.
Dieses Gutachten wurde vom Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung
(BASE) beauftragt, um den Stand von Wissenschaft und Technik dieser hypothetischen
Sicherheitstechnische Analyse und Risikobewertung von Konzepten zu P&T
Entsorgungsoption zu erheben. Es liefert einen Überblick über die verschiedenen
diskutierten P&T-Verfahrenstechnologien und -konzepte und den diesbezüglichen Stand der
internationalen Forschung und Entwicklung. Der technologische Reifegrad der für P&T
notwendigen Technologien wird eingeschätzt. Dabei werden Fragen hinsichtlich der
grundsätzlichen Realisierbarkeit von P&T beantwortet. Es wird untersucht, mit welchen
Risiken ein hypothetischer Betrieb entsprechender Anlagen verbunden und mit welchen
möglichen Auswirkungen auf die nukleare Entsorgung zu rechnen wäre. Dabei wird auch
auf Entwicklungszeiträume, historische Erfahrungen, sicherheitstechnische Anforderungen,
Proliferationsrisiken, Zeit- und Kostenfaktoren eingegangen. Die Entwicklung
hypothetischer P&T-Szenarien soll helfen, die Auswirkungen auf in Deutschland
vorliegende radioaktive Abfälle, notwendige Anlagen, und Betriebszeiträume bis zur
Stilllegung einschätzen zu können.

Generell gilt, dass Partitionierungs- und Transmutationsverfahren mit den bisher in
Deutschland betriebenen kerntechnischen Anlagen nicht umgesetzt werden könnten. Die für
P&T notwendigen kerntechnischen Anlagen stehen aber auch international nicht im
großtechnischen Maßstab zur Verfügung. Es geht also nicht um heute bereits einsatzfähige
Technologien. Aller Voraussicht nach wären noch viele Jahrzehnte an Forschungs- und
Entwicklungsarbeit vor der Realisierung eines P&T-Programms notwendig. Die
Durchführung eines P&T-Programms würde den Betrieb einer Vielzahl verschiedener und
neuartiger kerntechnischer Anlagen in Deutschland erforderlich machen. Risiken,
möglicherweise auch neuartige Risiken, durch den langfristigen Einsatz dieser Technologien
müssten frühzeitig bedacht werden und Fragen nach ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz
geklärt werden.